Fünf Gestalten

Ich möchte Ihnen gerne von fünf liebenswerten, kleinen Gestalten erzählen, die leise und doch präsent in unseren Gruppen wohnen. Zumindest in der Woche, denn am Wochenende gehen sie auf abenteuerliche Reisen. Die fünf heißen Felix, Kalle, Urmel, Theo und Abraham und jedes Kind in der Kita kennt auf jeden Fall den kleinen Gesellen, der in seiner Gruppe zu Hause ist. Diese fünf so unterschiedlichen, kleinen Kerle haben eine große Bedeutung und wichtige Aufgaben im Kita-Alltag!

Doch bevor ich davon erzähle, stelle ich sie einmal vor:

Felix ist ein kleiner Teddybär und wohnt in der Sonnengruppe. Er besitzt eine kleine Reisetasche für seine Wochenendausflüge. Neben Kleidung zum Wechseln ist darin auch eine Zahnbürste enthalten und die ist wichtig. Auch ein Personalausweis nennt Felix sein Eigen,denn einmal fuhr er sogar nach Dänemark in die Ferien. Ebenso wichtiger Inhalt sind kleine Basteleien der Kinder, die sie für ihren Felix hergestellt haben, denn eines ist klar: sie haben ihn sehr lieb.

Der Elch Kalle wohnt in der Sterngruppe. Obgleich man meinen könnte, Elche wären robuste, wetterfeste Tiere, wurden ihm im Laufe der Zeit ein Wollpullover gestrickt (den er mit Stolz trägt) und Turnschuhe geschenkt. Seit Neuestem ist er Besitzer einer warmen Mütze. Lediglich sein Geweih zeigt sich ein wenig störrisch bei den Bemühungen der Kinder, Kalles Ohren mit dieser Mütze auch wirklich warm zu halten.

In der Mondgruppe wohnt Urmel, der Drache. Er ist ein wenig schüchtern und braucht viel Liebe und Wärme. Da ist es nicht verwunderlich, dass er im Laufe der Zeit liebevoll mit warmer Kleidung versorgt wurde. Es begann damit, dass die Großmutter eines Kindes dem Urmel ein paar selbstgestrickte Socken zukommen ließ. Mittlerweile trägt er einen Wintermantel und ein Wollmützchen. Anfangs lebte Urmel in einer Wohndose, doch erschien es einigen Kinder zu eng für ihn und sie bastelten mit großem Ernst und Eifer ein gemütliches Schlafzimmer aus einem Schuhkarton. So konnte Urmel zu seiner und der Kinder Freude in ein komfortableres Heim umziehen.

Theo, das Eichhörnchen wohnt in der Waldgruppe in einem Körbchen. Seine größten Schätze hat er auch dort gelagert (wie es sich gehört für ein Eichhörnchen). Es sind die Nüsse und Eicheln, die die Waldkinder für ihren Theo gesammelt haben, denn Eichhörnchen sind offensichtlich immer hungrig. Theo braucht keine wärmende Kleidung, denn er ist schließlich ein gesundes, putzmunteres Waldtier.

Abraham wohnt in der Regenbogengruppe. Er ist ein Rabe, wie er im Buche steht: ein wenig frech und doch weise, ein wenig vorlaut und doch einfühlsam. Er kam erst letztes Jahr in die Regenbogengruppe, um gemeinsam mit seinem Freund Ramses, einem alten Kamel, den Kindern von der Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Die Kinder hatten Abraham auf Anhieb so lieb gewonnen (und er sie), dass er beschloss in die Regenbogengruppe um zuziehen. Er wohnt in seinem Nest, oben auf der Fensterbank eines der Oberlichter und hat es dank eines Kindes, dass ihm sein Lieblingskuschelkissen schenkte, richtig gemütlich.

Jeden Freitag, zum Abschlusskreis der einzelnen Gruppen, werden diese für die Kinder so wichtigen Gruppenbewohner mit in den Kreis geladen, denn es gilt zu entscheiden, mit welchem Kind Felix, der Bär, Kalle, der Elch, Urmel, der Drache, Theo das Eichhörnchen und Abraham der Rabe über das Wochenende nach Hause gehen kann, denn eines ist klar: das ganze Wochenende allein in der Kita bleiben, dass können die kleinen Kerle nicht. In den meisten Gruppen haben die Kinder Bilder und Einladungen gemalt, die aufgerollt, mit bunten Bändern versehen in einem Körbchen aufbewahrt werden. Das Kind, welches seinen lustigen, außergewöhnlichen Gruppenbewohner am vergangenen Wochenende als Gast bei sich zu hause hatte, zieht eine Bildrolle aus dem Körbchen und ermittelt so die nächste Gastfamilie.
Das ist immer spannend. (Und sehr wichtig für Urmel: niemals würde der kleine, schüchterne Drache sich selbst einladen. Abraham ist da ein wenig frecher: er will immer selbst ein Zettelchen ziehen.)

Stets montags versammeln sich die Kinder wieder im Kreis und das Kind, welches den Gruppenkobold über das Wochenende beherbergt hatte, kann erzählen, was für bemerkenswerte Erlebnisse es in den vergangenen zwei Tagen mit seinem Gast hatte. Manchmal ist das gar nicht einfach. Dann helfen die kleinen Gestalten gern mit und auch die Kinder aus der Gruppe unterstützen mit neugierigen Fragen die jeweiligen Redner und Rednerinnen.
Es ist ein großer Spaß, in Fantasien und Träumereien der Kinderwelt einzutauchen. Dennoch haben wir, neben unserer Freude, einen Blick auf unsere Arbeit und unsere Ziele mit den Kindern, ihren Eigenartigkeiten, ihren Bedürfnissen und individuellen Entwicklungsphasen. So helfen Felix und Kalle, Urmel, Theo und Abraham uns Sprechanlässe zu schaffen, den Kindern Möglichkeiten und Sicherheiten zu geben, vor einer Gruppe frei zu sprechen. Mit diesen kleinen Gestalten schaffen wir Raum, um den Kindern Gelegenheit zu geben, ihre Gedanken zu sammeln und zu sortieren, auf Erinnerungen zurückzugreifen und alles in Worte zu fassen. Die außergewöhnlichen Gruppenbewohner geben den Kindern dabei Schutz und Mut, erleben sie doch das Wochenende gemeinsam.
Indem sich die Kinder mit Begeisterung ein ganzes Wochenende für den jeweiligen Gruppenkobold verantwortlich erklären und auch dafür Sorge tragen, dass er montags wieder mit in die Kita kommt, schaffen wir (oder die Kinder oder die kleinen Kuschelkerlchen?) fantasievoll, spielerisch und wie von selbst ein Gefühl, das gut tut und wachsen lässt, innen und außen: Es ist das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

Es grüßt Sie im Namen aller Kolleginnen der Kita,
Kirsten Thomas

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