Ich erinnere mich noch genau an diesen Abend 1989, wenige Tage nach dem Fall der Mauer und der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Ich war mit unserem Hund auf der abendlichen Runde und kurz vor unserer Haustür, als neben mir knatternd ein Trabant zum Stehen kam. Der Fahrer kurbelte mühevoll das Seitenfenster herunter. Es war ein junger Mann, der seinen ersten Ausflug in den Westen gemacht hatte und sich verfahren hatte und den Weg zum Grenzübergang nicht finden konnte.
Natürlich gab es noch keine Straßenschilder und Richtungsweiser, die ihm den Weg hätte zeigen können. Wie sollte ich dem guten Mann nun also helfen? Kurzentschlossen bat ich ihn ins Haus kommen. Vielleicht wussten meine Eltern ja einen Rat. Gesagt, getan und meinen Eltern kurz die Notsituation des jungen Mannes erklärt. Während mein Vater eine Straßenkarte suchte, um darauf den Weg zum nächsten Grenzübergang einzuzeichnen, machte meine Mutter dem fremden Mann ein paar belegte Brote und schenkte ihm einen Becher Tee ein. So gestärkt machte sich der Unbekannte dann bald auf den Heimweg.
An diese Begegnung musste ich denken, als ich den Monatsspruch für Dezember las:
„Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!“ (Jesaja 58,7)
Der junge Mann im Trabant war weder obdachlos noch unbekleidet, und verhungert wäre er ohne die Wurstbrote meiner Mutter sicherlich auch nicht. Dennoch war er in Not. Die Not unserer Mitmenschen zu erkennen und danach zu handeln, daran erinnert uns dieser Spruch. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit. Wir müssen uns dabei nicht übernehmen, aber wir können das tun, was in unseren Möglichkeiten steht, damit es heller um uns wird, unser „Licht hervorbricht wie die Morgenröte und unsere Heilung schnell voranschreitet“. (Vers 8). Nur wenn wir das, was wir haben, mit den Menschen in Not teilen, können wir selbst heil werden und Frieden erleben. So kann Weihnachten werden und Gott kommt uns in dem Jesuskind in der Krippe ganz nah.
Eine frohe und besinnliche Advents- und Weihnachtszeit wünscht euer und Ihr Pastor Sven Rehbein